Vortrag: Wer bestimmt Vertrauenswürdigkeit? Die Rolle technischer Normen in der Infrastruktur des Sozialkreditsystems in China

Wir laden Sie herzlich ein zum Vortrag „Wer definiert Vertrauenswürdigkeit? Die Rolle technischer Normen in der Infrastruktur des Sozialkreditsystems in China“ von Marianne von Blomberg am 26. November um 18:00 Uhr s.t. ein. Der Vortrag findet an der TU Darmstadt im Residenzschloss statt (S 3|12 13). Er wird in englischer Sprache stattfinden.

Eines der vielversprechenderen Projekte die aus Chinas umstrittenem Sozialkreditsystem hervorgehen ist die sogenannte „Neue Form von Regulierung auf Grundlage von Vertrauenswürdigkeit“ (信用監管). Dabei handelt es sich um einen Modus von behördlicher Entscheidungsfindung nach Bewertungen der Vertrauenswürdigkeit von Subjekten. Hierfür werden Behörden, aber vor allem auch nicht-staatliche Akteure in die Pflicht genommen, quantifizierte Bewertungen von Vertrauenswürdigkeit zu erstellen – etwa E-Commerce-Plattformen für ihre Händler. Die Kriterien für die Bewertung von Vertrauenswürdigkeit werden jedoch nicht in politischen Richtlinien oder Gesetzen festgelegt, sondern in technischen Normen. Normung, traditionell ein Feld soziotechnischer Verhandlung der Privatwirtschaft, bringt i. d. R. keine gesetzlich verbindlichen Regeln hervor. Dennoch setzen die Architekten von Chinas Sozialkreditsystem auf diese Verfahren, etablieren ein eigenes Normungskomitee und verbreiten die von ihm hervorgebrachten Normen für Vertrauenswürdigkeit. Auch Europa kennt die Nutzung von Normungsverfahren für Governance, so bauen die Umsetzung der DSGVO und des AI Acts teilweise auf Normungsorganisationen. Anhand des Beispiels von Sozialkredit möchte ich einen vergleichenden Blick auf einige Fragen werfen, die sich aus dem Einsatz technischer Normen für Regulierung ergeben: Warum sind Normungsverfahren attraktiv für Gesetzgeber, und wie verändern sie sich durch die Aufnahme politischer und regulatorischer Aufgaben? Woher beziehen Normungsorganisationen ihre Legitimation, politische Grundsatzentscheidungen zu fällen, und ist dieser Trend ein Schritt in Richtung Technokratie?