Die Ziele des DFG-Graduiertenkollegs „Standards des Regierens“
Obwohl die Staatsform der Demokratie weltweit in eine Krise geraten ist, hat sich das Konzept der “good governance“, welches sowohl öffentliche als auch private Akteure auf Normen guten Regierens verpflichtet, weltweit verbreitet. Das interdisziplinäre DFG-Graduiertenkolleg „Standards des Regierens“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Technischen Universität Darmstadt widmet sich der Frage, wie diese Standards entstehen und kodifiziert werden.
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Die innovative Leitidee dieses Graduiertenkollegs ist es, Normen des guten Regierens als Standards zu begreifen und zu analysieren. Die explizite Analogie zur Standardsetzung und zur Technik bringt einige Charakteristiken des guten Regierens auf den Punkt: Normsetzung durch öffentliche und private Akteur*innen, die Existenz konkurrierender Konzeptualisierungen, den Universalisierungsanspruch, den Quantifizierungsbedarf und die Optimierungslogik, die oft mit Standardisierung assoziiert werden. Durch die Verbindung von Forschungsgegenständen, die normalerweise nicht gemeinsam betrachtet werden, ermöglicht diese Leitidee auch einen Dialog der politischen Theorie und Institutionenlehre mit der politischen Ökonomie, den Internationalen Beziehungen (IB), der Rechtswissenschaft und der soziologischen Modernisierungsforschung.
Gleichzeitig eröffnet die Idee der „Standards des Regierens“ auch einen neuen Blick auf das Phänomen der Standardisierung selbst. Im Versuch, Regierungsprozesse zu optimieren, wird Standardisierung vom Steuerungsinstrument zu einem selbstreflexiven Unterfangen. Im Kolleg soll empirisch analysiert werden, wie Standards des Regierens entstehen, wie sie sich verbreiten, wie sie in der Praxis operationalisiert werden und wie man versucht, sie durchzusetzen. Wie sich Standards des Regierens in komplexen, international vernetzten und hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaften zum Ideal der Demokratie verhalten, wie sie die Möglichkeit kollektiver Selbstbestimmung stützen, verändern oder auch untergraben, soll im Rahmen des Graduiertenkollegs außerdem kritisch untersucht werden. Das GRK kombiniert eine empirische Mikroperspektive auf soziale Interaktionen und Diskurse, in denen Standards des Regierens kodifiziert, propagiert und angewendet werden, mit einer normativen Bewertung aus demokratietheoretischer Perspektive.
Was bedeutet eigentlich „Good governance“?
Das Konzept der “good governance“ ist mittlerweile weltweit verbreitet und wird von internationalen Organisationen wie der Weltbank und der OECD aktiv propagiert. Darunter fallen allgemeine Normen der guten Regierungsführung wie Transparenz, Partizipation und Verantwortlichkeit (“accountability“) der Regierenden, aber je nach Konzeption auch sehr spezifische wie Geschlechtergerechtigkeit, Korruptionsbekämpfung und systematische Evaluation von Politiken. Kataloge von Normen des guten Regierens werden von vielen Instanzen kodifiziert, öffentlichen wie privaten, und sie konkurrieren miteinander.
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Sie werden praktisch wirksam, indem sie mit Hilfe von Indikatoren quantifiziert, gemessen und durchgesetzt werden. Auch wenn sie üblicherweise in westlich geprägten Institutionen formuliert werden, so erheben sie doch den Anspruch universeller Gültigkeit. Konzeptionen der „good governance“ richten sich gleichzeitig an den öffentlichen und privaten Sektor. Staaten und Kommunen, börsennotierte Unternehmen, Finanzmarktakteure und Nichtregierungsorganisationen – sie alle werden heute nach ihrer Performance auf Skalen der „good governance“ beurteilt und in Rankings eingestellt.
Die fünf Leitfragen des DFG-Graduiertenkollegs „Standards des Regierens“
Das Kolleg wird sich zumindest in den ersten Jahren auf vier Politikfelder konzentrieren. Diese sind Wirtschaft und Finanzen, Umwelt und Klimaschutz, Entwicklung und Regionalförderung sowie Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit. Daraus ergeben sich für das DFG-Graduiertenkolleg folgende Leitfragen:
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1. Wie genau entstehen Standards des Regierens und warum werden sie kodifiziert?
2. Warum verbreiten sich Standards des Regierens über territoriale und möglicherweise auch sektorale Grenzen hinweg?
3. Wie werden Standards des Regierens in der Praxis operationalisiert und wie wird ihre Einhaltung gemessen?
4. Wie wird versucht, Standards des Regierens durchzusetzen und warum formiert sich Widerstand gegen solche Versuche?
5. Welche Folgen hat der Aufstieg der Standards des Regierens und wie sind diese Folgen normativ zu bewerten?