Ein Interview mit dem Kollegiaten Robin Jaspert

Das Verhindern von Vereinzelung in der Promotion

Romy & Jonathan: Guten Tag, Robin. Du bist seit April 2023 Teil des Graduiertenkollegs. Was war deine Motivation dich für das GRK „Standards des Regierens“ zu bewerben.

Robin: Die Freiheiten, die ich in der Promotion habe, sind in einem Graduiertenkolleg besonders ausgeprägt. Neben diesen Freiheiten haben wir aber auch viele Möglichkeiten des Austauschs und eine große Kohorte von elf Promovierenden zusätzlich zu zehn Professor*innen. Das verhindert Vereinzelung in der Promotion und ist außerdem für den fachlichen Austausch besonders wertvoll.

„Es gibt eine Vielzahl möglicher Faktoren, aus denen heraus sich potentiell erklären lässt, warum Staaten zu Zeitpunkt X Summe Y ausgeben.“

Romy & Jonathan: Der Titel des Graduiertenkollegs ist weit gefasst. Was sind deine ersten Gedanken zu „Standards des Regierens“?

Robin Japsert ist seit April 2023 Kollegiat im DFG-Graduiertenkolleg „Standards des Regierens“. Zuvor absolvierte er seinen Master in Wirtschaftssoziologie an der Goethe-Universität Frankfurt.

Robin: Unter Standards des Regierens lässt sich unfassbar viel fassen, was man auch an den sehr verschiedenen Promotionsvorhaben im Kolleg sieht. Ich komme aus der Politischen Ökonomie und in meinem Feld sind Standards meistens von privaten Marktakteuren oder multilateralen Institutionen gesetzt und dienen der Angleichung des Verhaltens verschiedener Akteure und bestimmen so unter anderem die Zugangskonditionen zu gewissen Märkten. Interessant wird es, wenn wir uns genauer anschauen, wer aus welchen Interessen welche Standards setzt, und durchsetzt und was für eine Wirkung diese entfalten. So sind zum Beispiel die aktuell dominanten Standards für „nachhaltiges Investment“ von einer Handvoll Akteure gesetzt, die nichts mit nachhaltigem Wirtschaften zu tun haben und so den Umbau der Wirtschaft verhindern.

Romy & Jonathan: Worin liegt dein Forschungsinteresse und in welche thematische Richtung führt deine Promotionsarbeit?

Robin: Im Rahmen meiner Promotion beschäftige ich mich mit den Determinanten von Staatsausgaben im Globalen Süden. Es gibt eine Vielzahl möglicher Faktoren, aus denen heraus sich potentiell erklären lässt, warum Staaten zu Zeitpunkt X Summe Y ausgeben. Ich untersuche in meiner Arbeit gängige Erklärungsfaktoren, wie Veränderungen von Staatseinnahmen, Wechselkursschwankungen, Finanzierungsstruktur aber auch Fiskalstandards wie sie unter anderem von Ratingagenturen und dem Internationalem Währungsfonds gesetzt werden. Ein kleiner Spoiler: die Veränderungen von Staatsausgaben lassen sich nicht allein aus strukturellen Faktoren oder Standards heraus erklären. Oft sind politische Machtkämpfe um die Ressourcen des Staates entscheidend.

„Mein Überblick über das Feld hat sich komplett verändert“

Romy & Jonathan: Vielen Dank für den Einblick in dein Vorhaben. Inwieweit ist dein Forschungsvorhaben von gesellschaftlicher Relevanz?

Robin: Ich denke, dass mein Vorhaben von gesellschaftlicher Relevanz ist, weil sich die Ausgabenlevel von Staaten des Globalen Südens strukturell von denen des Globalen Nordens unterscheiden und es zu wenig Forschung darüber gibt, aus welchen Gründen sich die Ausgabenlevel von Staaten verändern. In einem Zeitalter, in dem vor allem Staaten des Globalen Südens massive Finanzmittel zur Bekämpfung der Konsequenzen der immer weiter eskalierenden Klimakrise benötigen, wird die Frage umso wichtiger.

Romy & Jonathan: Hat sich dein Promotionsvorhaben verändert oder konkretisiert, seitdem du Teil von „Standards des Regierens“ bist?

Robin: Auf jeden Fall. Inzwischen arbeite ich seit über einem Jahr an meinem Forschungsvorhaben und sowohl Fragestellung wie auch mein Überblick über das Feld hat sich komplett verändert. Das liegt vor allem an der engen und guten Beratung durch meinen Betreuer.

„Weil man gezwungen ist seine eigene Arbeitsweise und Annahmen tiefergehend zu hinterfragen“

Romy & Jonathan: Eine Promotion in einem Graduiertenkolleg unterscheidet sich von anderen Promotionsformen. Worin bestehen aus deiner Sicht die Vorteile, wenn man in einem Graduiertenkolleg promoviert?

Robin: Es gibt natürlich ein paar nette hard facts wie eine Promotionsdauer von vier statt nur drei Jahren, keine Lehrverpflichtung und nur wenige administrative Aufgaben. Darüber hinaus halte ich aber auch das Format einer großen Kohorte, die zu einem Überthema gemeinsam forscht, für sehr sinnvoll.

Romy & Jonathan: Dieses Graduiertenkolleg umfasst Politikwissenschaftler:innen, Soziolog:innen, Philosoph:innen und Rechtswissenschaftler:innen. Inwieweit hilft dir diese Interdisziplinarität und Diversität bei deinem Promotionsvorhaben?

Robin: Interdisziplinarität bedeutet immer erstmal einen Mehraufwand, schließlich müssen sehr verschieden Ansätze und Denkweisen irgendwie unter einen Hut gebracht werden. Die Reibung, die dabei entsteht, ist aber auch potentiell sehr produktiv, weil man gezwungen ist seine eigene Arbeitsweise und Annahmen tiefergehend zu hinterfragen. Ich kann nicht einfach in meinem eigenen Feld versumpfen und das tut gut.

Romy & Jonathan: Wie wirkt sich die Kooperation zwischen der Goethe-Universität und der Technischen Universität Darmstadt auf deine Forschung/Promotion aus?

Robin: Ich arbeite eng mit einer Kollegin von der TU Darmstadt in einer Arbeitsgruppe über die Nord-Süd-Dynamiken von Standards zusammen. Darüber hinaus sitzen wir häufiger in der Bahn – ich glaube aber, dass der Vorteil der Kooperation zwischen zwei Universitäten vor allem auf der professoralen Ebene zu sehen ist.

„Da hilft es natürlich, im Ausland zu forschen und vernetzt zu sein“

Romy & Jonathan: Welchen Zugewinn für deine Promotion versprichst du dir von den internationalen Forschungsaufenthalten, die im Rahmen des Graduiertenkollegs angeboten werden?

Robin: Einen sehr großen. Die deutsche Akademie hat einen sehr ungesunden Hang zu Selbstreferenzialität, den ich ungerne in meiner Arbeit reproduzieren möchte. Da hilft es natürlich, im Ausland zu forschen und vernetzt zu sein.

Romy & Jonathan: Wie werden deine nächsten Monate rund um deine Forschungsarbeit aussehen?

Robin: Ich werde mein Forschungsvorhaben diesen Sommer auf mehreren Konferenzen vorstellen und auf Basis des Feedbacks, das ich mir so einhole, überprüfen, ob ich mit meinen Ideen, Ansätzen und Vorstellungen auf dem richtigen Weg bin. Auf der Basis überarbeite ich dann mein Vorhaben und gehe noch tiefer in die Ausarbeitung und die empirischen Berechnungen.

Herzlichen Dank für deine interessanten Antworten.

Das Interview wurde von Romy Knappe und Jonathan Mück geführt.

Romy Knappe ist Studentische Hilfskraft am DFG-Graduiertenkolleg „Standards des Regierens“ seit August 2023.

Jonathan Mück ist Studentische Hilfskraft am DFG-Graduiertenkolleg „Standards des Regierens“ seit Mai 2023.